Moderne Technologien in der zahnmedizinischen Studentenausbildung

Zum Zahnarzt geht wohl keiner so richtig gerne. Dass es aber Zahnärzte braucht, das werden wohl die wenigsten abstreiten. Dass man in Greifswald gut Zahnmedizin studieren kann, dass spricht sich herum. Bei der Zahl der Studienplatzbewerber und beim CHE-Ranking belegt Greifswald regelmäßig Spitzenplätze. Wer in Greifswald Zahnmedizin studiert hat, hat ausgezeichnete Chancen auf sehr gute Assistentenstellen. Damit das so gelingt, braucht es Patienten, die etwas mehr Zeit haben und sich unter Aufsicht von richtigen Zahnärzten von Studierenden behandeln lassen. Und damit das auch so bleibt, engagagieren sich viele Mitarbeiter der Universitätsmedizin für die Lehre.

Hinter der Beliebtheit des Zahnmedizinstudiums in Greifswald stecken Konzepte. Die gültige Fassung der Approbationsordnung stammt von 1955. Man könnte meinen, in der Zahnmedizin hätte sich seitdem nichts entwickelt. Dem ist natürlich nicht so. Im Einklang mit der Prüfungsordnung wurden moderne Ideen verwirklicht. Gleich in den ersten Semestern – also noch lange bevor echte Patienten vor ihnen stehen – lernen die Studierenden die Gesprächsführung mit Patienten. Im Programm „Der frühe Patientenkontakt“ wird frühzeitig die Grundlage für das richtige Patientengespräch gelegt und frühzeitig gelernt, worauf es im Umgang mit Patienten ankommt, um alle wichtigen Informationen für die Behandlung zu bekommen und dem Patienten ein gewisses Wohlbefinden zu vermitteln.

In den ersten Semestern gibt es außerdem allerhand zu lernen über Anatomie, Physiologie, Biologie, Chemie und Physik und vieles andere mehr. Die Zahnmedizin beginnt einerseits eher theoretisch und andererseits praktisch mit einer zahntechnischen Grundausbildung. Ist die erste Phase geschafft und die erste große Zwischenprüfung – das Physikum – absolviert, dann fehlt nur noch ein Semester mit praktischer Erfahrung am Phantompatienten aus Kunststoff, fest montiert am Labortisch, bis die ersten Patienten behandelt werden dürfen.

In den letzten vier Semestern finden die klinischen Kurse statt. Normalerweise beschäftigt man sich nun semesterweise mit der Zahnerhaltung (z.B. Füllungen und Wurzelkanalbehandlungen), dem Zahnersatz (z.B. Kronen und Prothesen), der Parodontologie (rund ums Zahnfleisch), der Kieferorthopädie, Kinderzahnheilkunde sowie Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und sieht Patienten nur kurz für einzelne Versorgungen. In Greifswald ist das anders. Als Studentin und Student versorgt man den Patienten in fast allen Belangen und nach den vorliegenden Bedürfnissen. Der „integrierte Kurs“ fasst mehrere Fachbereiche zusammen. Wenn ein Zahn eine Wurzelbehandlung benötigt und er danach eine neue Krone braucht, dann betrifft das mindestens zwei Fachgebiete. Es schauen sich die jeweiligen Behandlungsschritte Zahnärzte aus zwei Abteilungen an. Komplexe Behandlungsabläufe werden also gebündelt und fast so wie in einer normalen Zahnarztpraxis geplant. Den Patienten und Studierenden ermöglicht es ein gewisses Vertrauen aufzubauen.

Ein Aspekt bei der Zahnarztausbildung ist gemäß Approbationsordnung die Qualifikation, Zahnersatz selbst herstellen zu können. Unter Anleitung und Hilfe von Zahntechnikern, stellen Studierende einige Arten von Zahnersatz selbst her. Das sind z.B. Totalprothesen, herausnehmbarer Zahnersatz und festsitzender Zahnersatz wie Kronen und Brücken. Für all diese Bereiche sind Entwicklungen zu sehen, wie die Computertechnologie diese Prozesse verändert. Für Kronen und Brücken, auch Inlays und Implantatkronen, aus keramischen Werkstoffen gibt es nun schon seit längerer Zeit Geräte zum Scannen von Kiefermodellen, Konstruieren des Zahnersatzes und Herausschleifen der individuellen Formen aus Keramikblöcken. Dieser moderne Zahnersatz hat Zahnfarbe, eine passgenaue Form und bekommt in den letzten Schritten durch individuelle Akzente mit Malfarben, Politur und mehreren Keramik-Hochtemperaturbränden den letzten handwerklichen Schliff. In Greifswald wird dies seit fast zehn Jahren praktiziert und jeder Studentin und Student sammelt Erfahrung mit der CAD/CAM-Technologie.

Als Patient kennen Sie wahrscheinlich diese Abformungen der Kiefer, bei denen man einen Metalllöffel mit einer kalten, feuchten Knetmasse in den Mund gesteckt bekommt und dann warten muss, bis die Knetmasse hart geworden ist. Manchmal gelingt das nicht beim ersten Mal oder das Material schmeckt nicht. Im Labor wird dieser Abdruck mit Gips ausgegossen und darauf kann dann geplant, gemessen oder direkt der Zahnersatz hegestellt werden.

Es gibt dazu eine Alternative. Zum Einsatz kommt ein Gerät, vergleichbar mit einem etwas dickeren Kugelschreiber, in dem eine kleine Kamera steckt. Das nennt man Intraoralscanner. Als Patient müssen Sie nur den Mund aufhalten und die Kamera wird von der Behandlerin oder dem Behandler geschickt über Ihre Zähne geführt. Die Scandaten kommen sofort in 3D in einem Computer an und können auf einem Bildschirm angesehen werden. Diesen Daten können gleich im Anschluss analysiert werden, ob z.B. der präparierte Zahn für eine neue Krone eine ideale Form bekommen hat, um eine qualitativ hochwertige Keramik tragen zu können. Studierende lernen ja noch und manchmal klappt der erste Anlauf nicht. Mit diesem System können Studierende und die betreuenden Zahnärzte sehr schnell und objektiv erkennen, wo die Probleme stecken. Als Patient ist man auch mit involviert, kann alles mit betrachten und wenn am Zahn noch etwas mehr gebohrt werden muss, kann das in der Regel sofort erledigt werden.

Kieferscan Unterkiefer

Kieferscan in echter Farbe mit einer konstruierten Krone im Unterkiefer

Konstruktion Krone

Eine konstruierte Krone auf einem Implantat.

Was toll klingt, gut für die Patienten ist und durch objektive Einschätzung den Studierenden hilft, ist auf der anderen Seite ein großer Aufwand, der sich ein wenig vom Labor in die Klinik verlagert. Die Technologie ist noch recht neu und als Anwender braucht man Erfahrung. Das ist eine Aufgabe der Abteilung für Digitale Zahnmedizin in der Zahnklinik, die sich mit den modernen Technologien beschäftigt. Durch in Greifswald organsierte postgraduale Masterstudiengänge u.a. zum Thema „Clinical Dental CAD/CAM“ ist die Vernetzung zu anderen Universitäten und Praktikern hoch. Als die aktuelle Generation Intraoralscanner soweit war, ausreichend einfach und zuverlässig auch in den Händen der Studierenden zu funktionieren, wurde begonnen diese Technologie im Studentenkurs zugänglich zu machen. Nur wer sollte das betreuen? Die Antwort kam fast von alleine, da es einige talentierte, digital-affine und geschickte zahnmedizinische Fachangestellte in den eigenen Reihen gab. Dank der Unterstützung durch das Studiendekanat konnte aus Hochschulpaktmitteln das Projekt „Flying Dental CAD/ CAM-Nurse“ auf die Beine gestellt werden. In Anlehnung an die „Royal Flying Doctors“ in Australien sollen zwei in Teilzeit im Projekt beschäftigte CAD/CAM-Assistentinnen mit den Geräten an den Ort des Geschehens fahren. Ganz so königlich ist es nicht gemeint, der Name beschreibt aber, dass die Studierenden in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und vor Ort in allen Schritten vom intraoralen Scannen, der Analyse der gescannten Zähne, der virtuellen Konstruktion des Zahnersatzes und bei der Herstellung unterstützt werden. Durch die zugleich durchgeführte Dokumentation erfolgt ein Qualitätsmanagement. Das Projekt gibt es seit 2016 und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Jede Studentin und jeder Student soll die Intraoralscantechnologie mindestens einmal pro Studienjahr anwenden und viele erreichen das Ziel auch. Patienten können gerne den ganzen Ablauf miterleben und manch einer – der etwas älteren Generation – hat danach seinen Enkeln etwas zu erzählen, was er da „mit Computern“ in der Zahnmedizin erlebt hat. Manchmal ist es sogar möglich, dass der Zahnersatz in einer (langen) Sitzung hergestellt werden kann und man als Patient nicht noch einmal wieder zu kommen braucht. Die Versorgung an einem Tag kann es im Bedarfsfall natürlich auch bei der Behandlung von einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt in der Klinik geben. Auch hier helfen die CAD/CAM-Assistenzen und können – weil sie die Patienten selbst kennen lernen können – zusammen mit den Ärzten individuell passenden Zahnersatz herstellen.

„Flying Dental CAD/CAM-Nurse“ oder CAD/CAM-Assistenz wird man jedoch nicht einfach so. Zur Qualifizierung wurde eine Vielzahl von Fortbildungen besucht und einige Kontakte zu Zahnärzten und Zahntechnikern geknüpft, die in der Praxis diese Technologien einsetzen. So stand und steht kontinuierlich ein gemeinsamer Lernprozess an, weil die digitale Welt nicht still steht und neue Materialien und Geräte auf den Markt kommen. Das Beste und in der Praxis umsetzbare wird versucht in Greifswald zu etablieren. Dank der Unterstützung durch das Studiendekanat und die Universitätsmedizin konnten in den letzten Jahren auch einige Investitionen aus Fördermitteln getätigt werden, um diesen Bereich technisch auszubauen. So können die Studierenden auf dem aktuellen Stand der Technik ausgebildet werden und sich später für die eigene berufliche Praxis entscheiden, welche Technologien sie einsetzen möchten oder welche Aufgaben ein zahntechnisches Labor übernehmen soll. Die Zusammenarbeit wird sich mit der Digitalisierung verändern und sie haben erste eigene Erfahrungen dazu gemacht.

Für die Klinik sind mehr Transparenz und objektivere Beurteilungsgrundlagen entstanden. Häufig geht es auch schneller und planbarer. Es werden Abformmaterialien und Gips eingespart, die nun durch Datensätze ersetzt werden. Diese brauchen keinen Lagerplatz und können reproduzierbar auch nach längerer Zeit wieder geöffnet werden, um auf Knopfdruck eine neue Krone entstehen zu lassen, wenn sie gebraucht wird.